Hier finden Sie Erklärungen zu Begriffen aus der Finanzwelt.
Von A wie ABC-Analyse bis Z wie Zinsen. Besuchen Sie unser Anlageberaterportal
unter www.anlageberater.at und erhalten Sie Informationen aus der Finanzwelt. Unser Steuerberaterportal www.steuerberater.at bietet viele Informationen für Steuerberater, Steuerzahler und Steuersparer und Tipps und Tricks zum Steuersparen.
Finanzlexikon: gewerbesteuer
gewerbesteuer
Charakter der Gewerbesteuer
Die Gewerbesteuer ist eine Steuer, die in Deutschland auf die objektive Ertragskraft eines Gewerbebetriebes erhoben wird. Es handelt sich bei ihr nach der Definition von § 3 Abs. 2 AO ("Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.") um eine Real- oder Sachsteuer, auch wenn diese Einordnung nach der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und der Lohnsummensteuer (siehe unten) umstritten ist. Rechtsgrundlage ist das Gewerbesteuergesetz, die Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung sowie als allgemeine Verwaltungsvorschriften die Gewerbesteuer-Richtlinien.
Steuerpflicht, Bemessungsgrundlage und Steuerfestsetzung
Besteuert werden gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuerrechts, also gewerblich tätige Einzelunternehmen und Personengesellschaften, wobei im Gegensatz zum Einkommensteuerrecht die Personengesellschaft als solches der Steuer unterliegt (einkommensteuerlich sind dies nur die Gesellschafter). Freiberufliche oder andere nichtgewerbliche selbständige Tätigkeiten unterliegen nicht der Gewerbesteuer (siehe dazu aber unten: Reformvorschläge). Eine Kapitalgesellschaft ist ein Gewerbebetrieb kraft Rechtsform und unterliegt immer der Gewerbesteuer. Land- und forstwirtschaftliche Betriebe werden nur besteuert, wenn sie im Handelsregister eingetragen sind, oder der Umsatz, der mit gewerblichen Dienstleistungen erzielt wird, 5.000 € übersteigt.
Bemessungsgrundlage der Besteuerung ist der Gewerbeertrag. Dabei handelt es sich um den wiederum nach Vorschriften des Einkommensteuerrechts bzw. Körperschaftssteuerrechts zu bestimmenden Gewinn, der um bestimmte Beträge vermehrt (Hinzurechnungen, § 8 GewStG) oder vermindert (Kürzungen, § 9 GewStG) wird. Als wesentlichste Hinzurechnungsvorschrift ist die hälftige Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen zu nennen; gewerbesteuerlich mindern bezahlte Zinsen auf langfristige Kredite den Gewerbeertrag nur zur Häfte (bei einem EBIT von 200 werden Zinsen in Höhe von 100 gezahlt, der Gewinn beträgt also 100, der Gewerbeertrag allerdings 150). Durch die Kürzungsvorschriften soll zum Beispiel eine mehrfache Belastung mit Realsteuern vermieden werden.
Die Höhe wird vom Finanzamt bestimmt. Erhoben wird die Steuer aber von den Gemeinden. Allerdings werden durch die Gewerbesteuerumlage Bund und Länder beteiligt.
Die Höhe der Gewerbesteuer bestimmt sich aus der Steuermesszahl (regelmäßig 5 %) auf den Gewerbeertrag und einem Hebesatz (ein so genannter Hundertsatz) auf den so ermittelten Steuermessbetrag. Dieser Hebesatz wird durch die Gemeinden festgelegt. Das Recht zur Festlegung des Hebesatzes an der Gewerbesteuer (oder einer anderen, neu zu schaffenden "wirtschaftskraftbezogenen Steuer") ist den Gemeinden grundgesetzlich garantiert. Nach Änderung des Gewerbesteuergesetzes im Dezember 2003 sind die Gemeinden ab 2004 verpflichtet, mindestens einen Hebesatz von 200 zu erheben. Damit wollte der Gesetzgeber sog. Gewerbesteueroasen (zum Beispiel Norderfriedrichskoog, die lange Zeit einen Hebesatz von Null hatte) verhindern. Meistens sind die Hebesätze von Großstädten höher als im Umland (München hat einen Hebesatz von 490, die meisten Gemeinden im Umland liegen zwischen 300 und 400). Werden Betriebsstätten in mehreren Gemeinden unterhalten, so ist die Steuermesszahl zu zerlegen. Als Maßstab dazu werden in der Regel die Arbeitslöhne verwendet.
Beziehungen zu anderen Steuern
Während zwar die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer auf der Bemessungsgrundlage der Einkommen bzw. Körperschaftsteuer beruht, hat die Gewerbesteuer wiederum auch Auswirkungen auf diese Steuern: Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags (und anschließend wiederum des Gewinns für die Zwecke der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer) ist die gezahlte Gewerbesteuer als Betriebsausgabe abzugsfähig (In-Sich-Abzugsfähigkeit). Wird bei einem Gewinn und Gewerbeetrag (keine Hinzurechnungen bzw. Kürzungen) von z.B. 600 Gewerbesteuer in Höhe von 100 bezahlt (Hebesatz=400), so ist anschließend nur noch 600-100=500 der Körperschaft- bzw. Einkommensteuer zu unterwerfen.
Weil man gewerbliche Unternehmen nicht durch diese Zusatzsteuer im Vergleich zu anderen Einkunftsarten übermäßig belasten will, gibt es bei Einzelunternehmern und Gesellschaftern einer Personengesellschaft, die bezahlte Gewerbesteuer pauschal auf die Einkommensteuer anzurechnen (§ 35 EStG: Gewerbesteueranrechnung), dazu darf man das 1,8-fache des Messbetrags (also vor Multiplikation mit dem Hebesatz) von der Einkommensteuerschuld abziehen, soweit diese auf die Einkünfte aus diesem Gewerbebetrieb entfällt. Bei einem Hebesatz von ca. 360 hat die Gewerbesteuer dann keine Belastungswirkung mehr, es kommt also zu einem Transfer von Steuereinnahmen vom Bund und den Ländern (die den Hauptteil der Einkommensteuer erhalten) zu den Gemeinden (die den Hauptteil der Gewerbesteuer erhalten).
Finanzielle Bedeutung der Gewerbesteuer
Im Jahr 2002 betrug das Aufkommen der Steuer 23,4 Mrd. Euro. Damit steht die Steuer bundesweit an vierter Stelle. Für die Gemeinden stellt sie die einzige wesentliche Einnahmequelle dar, die für sie beeinflussbar ist. Sie steht daher unter dem Schutz der Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG. Ihr Anteil am Gemeindehaushalt ist jedoch unterschiedlich hoch, im Bundesdurchschnitt hatte sie 2000 einen Anteil von ca. 13% am Gemeindehaushalt (nach Umlage) und war damit hinter der Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer (ca. 14%) die wichtigste steuerliche Einnahmenquelle. Mehr als ein Fünftel der Gewerbesteuereinnahmen müssen die Gemeinden allerdings als Gewerbesteuerumlage an Bund und Länder abführen (2000). Im West-Ost-Vergleich zeigen sich aber deutliche Unterschiede. Für Gemeindefinanzen in den neuen Bundesländer hat die Gewerbesteuer eine wesentlich geringere Bedeutung, ihr Anteil beträgt hier nur ca. 6% (oder 40% des Anteils im Westen), Gemeinden in Ostdeutschland sind wesentlich mehr auf Zuweisungen von den Ländern und Investitionszuweisungen angewiesen.
Diskussion der Gewerbesteuer
Die Gewerbesteuer ist eine der umstrittensten deutschen Steuern. Immer wieder wurden verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gewerbesteuer laut, da insbesondere freiberuflich Tätige nicht steuerpflichtig sind. Diese Bedenken wurden jedoch vom Bundesverfassungsgericht nicht geteilt.
Gegenläufige Positionen der Gemeinden und der Unternehmen
Für die Gemeinden stelt sie zwar die wichstigste eigenständige Steuerquelle dar, gleichzeitig ist sie jedoch sehr konjunkturabhängig, so dass die Gemeinden daher nicht mit stetigen Einnahmen planen können. (Von 1998 zu 1999 veränderte sich das Gewerbesteueraufkommen in Hamburg um +20%, in Kiel dagegen um -36%, in Schweinfurt um +100%, in Werdau sogar um +230%, in Leverkusen um -60%). Bemängelt wird überdies, dass der Hebesatz nicht von den Gemeinden genutzt werden kann, um durch die Senkung neue Gewerbebetriebe anzulocken, sondern dass umgekehrt bereits benachteiligte Gemeinden gezwungen sind, einen hohen (abschreckenden) Hebesatz aufrecht zu erhalten, und dadurch noch mehr Gewerbebetriebe an bereits reiche Gemeinden verlieren, insbesondere das Hebesatzgefälle von Großstadt zum Umland wird dabei kritisiert. Da die Gewerbesteuer eine deutsche Besonderheit ist und eine Doppelbelastung des betrieblichen Ertrags darstellt, wird kritisiert, dass sich die Gewerbesteuer negativ im internationalen Standortwettbewerb auswirke.
Die Behauptung, große Unternehmen entzögen sich der Gewerbesteuer, kann nicht belegt werden. Im Gegenteil: 1995 haben die größten 136 Unternehmen (steuerpflichtige Unternehmen mit einem Gewerbeetrag >100 Mio. DM) fast 18% zum Gewerbesteueraufkommen beigetragen, obwohl sie nur 0,0143% der Steuerpflichtigen stellen. Nimmt man noch die Unternehmen mit einem Gewerbeertrag zwischen 50 und 100 Mio. DM hinzu, so haben 0,036% der Unternehmen ein Viertel der gesamten Gewerbesteuer bezahlt, wohingegen die 80% der kleineren Unternehmen nur 6% bezahlt haben. Allerdings ist es gerade diese Abhängigkeit der Gemeinden von den großen Betrieben, in der viele Kritiker eine Gefahr der "Erpressbarkeit" der Gemeinde sehen; darüber hinaus führt die Krise eines Großunternehmens häufig zu einer dramatischen Krise der Finanzlage der betroffenen Gemeinden (siehe dazu oben die Konjunkturabhängigkeit).
Auch die Behauptung, insbesondere die gewerbesteuerliche Organschaft führe dazu, dass die Steuerlast auf Null gesenkt werden könne, geht am Kern vorbei. Gewerbesteuerlich führt eine Organschaft dazu, dass die einzelnen Unternehmen des Organkreises wie Betriebsstätten behandelt werden und Gewinne und Verluste miteinander verrechnen können. Natürlich ist damit eine Senkung der Steuerlast auf Null möglich, davon profitiert aber nicht nur das Unternehmen, sondern vor allem auch die Gemeinde, in der der verlustbringende Unternehmensteil angesiedelt ist, da auch die anderen Gemeinden am Verlust beteiligt werden; die Organschaft sorgt also vor allem für eine gleichmäßigere Verteiligung auf die verschiedenen Standortgemeinden eines Konzerns. Da die verschiedenen Organgesellschaften wie Betriebsstätten behandelt werden, wird der gesamte Gewerbeertrag des Organkreises dann wie oben dargestellt im Wesentlichen nach Lohnsumme auf die einzelnen Gemeinden verteilt. Wenn also der Gesamtkonzern ein positives Ergebnis ausweist, erhalten alle Gemeinden Gewerbesteuer, die mit hoch profitablen Unternehmensteilen weniger als ohne Organschaft, die mit verlustbringenden Teilen mehr. Auch wenn der gesamte Organkreis nach einer Verlustphase den Turn-around schafft, werden nicht einzelne Gemeinden sehr lang durch vorhandene Verlustvorträge gegenüber den Gemeinden mit den profitablen Unternehmensteilen benachteiligt, sondern sie erhalten schneller wieder Steuereinnahmen.
Da die Gewerbesteuer eine nicht unerhebliche Belastung für die Unternehmen darstellt, gleichzeitig aber eine große Bedeutung für die Gemeinden hat, sind Reformen in diesem Bereich wegen der divergierenden Interessen häufig auf Widerstand gestoßen, dennoch ist die Gewerbsteuer seit Jahrzehnten in der Diskussion
Geschichte der Gewerbesteuer
Die Gewerbesteuer (GewSt) ist eine der ältesten Steuern überhaupt und hat eine sehr lange und bewegte Geschichte. Die Grundlagen für ihre heutige Ausprägung wurden in der Realsteuerreform von 1936 gelegt, auch wenn einschneidende Maßnahmen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sie in ihrer Struktur stark verändert haben. Ursprünglich bestand die Gewerbesteuer aus drei Säulen: Der Lohnsummensteuer, der Gewerbekapitalsteuer und der Gewerbeertragsteuer. Durch unterschiedliche Messzahlen wurde aus den drei verschiedenen Bereichen ein Gewerbesteuermessbetrag ermittelt, auf den dann der Hebesatz angewendet wurde. 1978 wurde wegen der damit verbundenen negativen Beschäftigungspolitischen Konsequenzen (Steuer auf das Einstellen von Arbeitskräften) zunächst die Lohnsummensteuer abgeschafft. 1997 wurde dann schließlich noch die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft (als Ausgleich erhielten die Gemeinden eine Beteiligung an der Umsatzsteuer), so dass die Gewerbesteuer zu einer nur ertragsabhängigen Steuer geworden ist - was zu einer erhöhten Konjunkturabhängigkeit geführt hat.
Aktuelle Reformvorschläge
Es gibt seit jeher Bestrebungen, die Gewerbesteuer zu reformieren oder sie ganz abzuschaffen. Während die Gemeinden auf der Beibehaltung bzw. Stärkung der Gewerbesteuer (durch die Wiedereinführung ertragsunabhängiger Komponenten oder die Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen auch auf Freiberufler und Vermieter in dem Vorschlag zu einer Gemeindewirtschaftsteuer) bestehen, wird von Unternehmensseite die gänzliche Abschaffung der Gewerbesteuer als reiner Zusatzsteuer auf unternehmerische Tätigkeit gefordert, zumindest dürften aber keine ertragsunabhängigen Elemente gestärkt werden. Ertragsunabhängige Elemente fallen nämlich auch in der Unternehmenskrise an und können diese verstärken und sogar zur Insolvenz führen.
Als Alternative wird für die Gemeinden ein Hebesatzrecht auf Einkommen- und Körperschaftssteuer vorgeschlagen. Aber auch andere Vorschläge gibt es, wie die Einführung einer Wertschöpfungsteuer, die Beibehaltung einer gesenkten Restgewerbesteuer und viele mehr.
Die Gewerbesteuer ist in letzter Zeit (Ende 2003) bedingt durch die Konjunkturflaute (Rezession) und die Unternehmenssteuerreform der Bundesregierung stark zurückgegangen. Viele Gemeinden sahen sich mit Gewerbesteuer-Rückzahlungsforderungen konfrontiert, die die ohnehin angespannte Finanzlage einiger Gemeinden weiter verschärft haben.
|